Die Schlacht um die Netzneutralität ist geschlagen und wir Journalisten haben es versemmelt

Stuttgart/Berlin, 21.07.2016 – Schlechte Nachrichten vom 96. Meeting der Internet-Ingenieure: In Westeuropa geht es in Sachen Netzneutralität nur noch um Tarife und maximale Geldausbeute der Provider. So lautet die übereinstimmende Einschätzung der Delegierten der Internet Engineering Task Force. Mit anderen Worten: Beerdigt die Netzneutralität!

Ein Zwischenruf von Peter Welchering

Stuttgart/Berlin (21.07.2016). Schlechte Nachrichten vom 96. Meeting der Internet-Ingenieure: In Westeuropa geht es in Sachen Netzneutralität nur noch um Tarife und maximale Geldausbeute der Provider. So lautet die übereinstimmende Einschätzung der Delegierten der Internet Engineering Task Force. Mit anderen Worten: Beerdigt die Netzneutralität!

Jahrelang ist heftig um die Netzneutralität gestritten worden. Die meisten Internet-Ingenieure waren Verbündete der Netz-Aktivisten, die die gleiche Behandlung aller Datenpäckchen forderten. Als letzten Aufbäumversuch pro Netzneutralität haben sie eine Online-Petition Anfang der Woche noch illusionslos unterstützt.

Aber das war es dann auch. Die bezahlten Überholspuren im Internet sind längst beschlossene Sache. Bei der Netzneutralität haben die Netzaktivisten die entscheidenden Schlachten verloren. Eine breitere Öffentlichkeit interessierte und interessiert sich ohnedies nicht für das Thema.

Und hier setzt die deutliche Kritik der Internet-Ingenieure an uns Journalisten an. Sie machen zu recht darauf aufmerksam, dass zwar einzelne Journalisten umfassend über das Thema informiert haben, auch in Kommentaren für den Erhalt der Netzneutralität eingetreten sind. Aber das hat nicht gereicht.

Das konnte auch nicht reichen. Denn an einem Großteil der Vertreter des schreibenden und sendenden Gewerbes ging dieses Thema schlicht vorbei. Sie haben sich um Netzneutralität einfach nicht gekümmert.

Fragte man bei diesen Kolleginnen und Kollegen einmal nach, dann erhielt man wahlweise die Antwort, das Thema sei zu kompliziert, zu unsexy oder betreffe Journalisten nicht wirklich. Dass mit der Netzneutralität auch ein Stück Meinungsfreiheit im Netz aufgegeben wird und ein Stück Überwachung im Netz realisiert wird, konnte in dieser Diskussion offenbar nicht vermittelt werden.

Denn mit einer Tarifierung der Datenpäckchen, wie sie mit der Abschaffung der Netzneutralität einher geht, ist auch eine umfassende Kontrolle der Datenpäckchen verbunden. Dann werden noch mehr Metadaten erhoben und verarbeitet, wird die Kommunikation von Journalisten noch besser überwacht werden können als bisher.

Doch das haben viele Kolleginnen und Kollegen nicht wahrgenommen und nicht ernst genommen. Nicht selten steckte da die mangelnde Bereitschaft dahinter, sich mit technischen Fragen auseinanderzusetzen. Unschöne Erinnerungen an den Mathematikunterricht längst vergangener Tage waren da leider allzu oft Triebfeder des Nicht-Handelns.

Also müssen wir Journalisten mit dem Vorwurf vieler Internet-Ingenieure leben: Das mit der Netzneutralität haben wir Journalisten versemmelt. Und wir haben keine Entschuldigung dafür.