Demos "für Grundrechte" in Stuttgart - Pressefreiheit bedroht!

Gestern fand auf dem Cannstatter Wasen erneut eine von den Gruppen "Querdenken 711" und "Widerstand 2020" organisierte Großdemonstration gegen die Corona-Beschränkungen bzw. "für Grundrechte" (so die Veranstalter) statt. Allein mit dem Grundrecht der Pressefreiheit scheinen es die Organisatoren und Teilnehmer nicht so ernst zu meinen: Journalisten, die über die Veranstaltungen berichten, sollen vorab ihre persönlichen Daten preisgeben und eine "Erklärung zu journalistischer Arbeit" unterzeichnen, in der sie sich verpflichten, in bestimmter Art und Weise zu berichten. Kollegen vor Ort mussten auch feststellen, dass bei der Demo gegen die Presse gehetzt wurde - mit bekannten Vorurteilen, die vorwiegend in rechten Kreisen gepflegt werden: Die Medien seien gesteuert und würden nicht kritisch berichten, hieß es mehrfach. Die vom Veranstalter geforderten Verpflichtungserklärungen haben die Berichterstattenden selbstverständlich nicht unterzeichnet.

 

Der DJV verurteilt dieses Vorgehen entschieden, wie DJV-Justiziarin Hanna Möllers es sehr treffend formuliert: 

 

"Ein Veranstalter, der eine Mahnwache für das Grundgesetz abhält, verliert seine Glaubwürdigkeit, wenn er Journalisten, die über die Veranstaltung berichten wollen, eine Verpflichtung abverlangt, über die Veranstaltung in einer bestimmten Art und Weise zu berichten sowie die Preisgabe der persönlichen Daten einschließlich ihrer Adresse einfordert. Das ist ein Versuch, die Presse- und Meinungsfreiheit aus Artikel 5 Grundgesetz einzuschränken und steht im Widerspruch zum erklärten Ziel der Veranstaltung. Wir raten Journalisten dringend ab, eine solche Erklärung zu unterzeichnen. Artikel 5 des Grundgesetzes erlaubt die Berichterstattung über Versammlungen völlig unabhängig von der Abgabe irgendwelcher Erklärungen.

 

Auch inhaltlich ist diese Verpflichtungserklärung hoch problematisch. Journalisten sollen mit der Unterschrift zugleich erklären, dass sie eine öffentliche Meinung „herstellen“. Das ist aber mitnichten der Fall. Journalisten beteiligen sich an der öffentlichen Meinungsbildung, stellen sie aber keinesfalls her. Die Einhaltung der Grundrechte und journalistischer Standards wird außerdem nicht von irgendwelchen Veranstaltern definiert, sondern folgt aus dem Grundgesetz und dem Pressekodex. Wer Journalisten vor der Berichterstattung dazu auffordert, eine solche Verpflichtung abzugeben, insbesondere sich keiner Zensur zu unterziehen, will offenbar den Anschein erwecken, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Hier wird das falsche Bild einer „System- oder Lügenpresse“ transportiert.

 

Wie gefährlich das ist, hat der brutale Überfall auf ein ZDF-Team am 1. Mai gezeigt. Die Stadt Stuttgart sehen wir in der Pflicht, solche Versuche des Veranstalters, die Presse- und Rundfunkfreiheit einzuschränken, zu unterbinden. Als Genehmigungsbehörde muss sie unserer Ansicht nach auch die Polizei einbinden und diese im Hinblick auf das Geschehen am 1. Mai darauf hinweisen, dass Journalistinnen und Journalisten besonders zu schützen sind."