Vorsicht ist angebracht 

 

Warum der Anschlag in den Niederlanden kein Anschlag auf die Pressefreiheit war 

 

Der Anschlag auf Peter R. de Vries am 6. Juli war eine weitere Zäsur in den Niederlanden: Schrecklich und niederträchtig, ja, womöglich ein Anschlag auf den Rechtsstaat und auf die freie Gesellschaft. Aber ein Anschlag auf die Pressefreiheit? Bei dieser Deutung sind Zweifel angebracht, meint Markus Pfalzgraf. 

 

Das hat zum einen mit den unterschiedlichen Rollen von Peter R. de Vries zu tun. Als Journalist hat er viel über organisierte Kriminalität berichtet, tritt auch oft im niederländischen Fernsehen als Experte auf. Größere Bekanntheit erlangte er aber auch dadurch, dass er Opfer begleitete und als Vertrauensmann von Kronzeugen in aufsehenerregenden Prozessen fungierte. 

Damit ist de Vries schon lange viel mehr als ein Journalist. Diese Rolle hat er eigentlich längst hinter sich gelassen. Eine vergleichbar einflussreiche Figur in einem solchen gesellschaftlichen Feld lässt sich in Deutschland zum Vergleich nicht leicht finden. Ein verdienter Berichterstatter und Fachmann, der selbst zum einflussreichen Akteur geworden ist. 

 

Auch die Umstände der bestürzenden Tat lassen nicht notwendigerweise auf einen medienfeindlichen Anschlag schließen, auch wenn der unmittelbar nach einem Fernsehauftritt der bekannten Persönlichkeit stattfand. Über die Hintergründe ist noch nicht viel bekannt, auch das Motiv der festgenommenen Verdächtigen ist in der Woche danach noch unklar. Es scheint Verbindungen zur organisierten Kriminalität zu geben, möglicherweise auch zum Prozess gegen einen Drogenboss, in dessen Verfahren Peter R. de Vries Vertrauensmann des Kronzeugen ist. Auch wenn noch nicht geklärt ist, ob die Tat mit dem Fall zu tun hat, in dem de Vries gerade unterwegs war: Es gibt jedenfalls keine Hinweise, dass es vordergründig um seine journalistische Tätigkeit ging. Auch wenn das nicht auszuschließen ist, ist Vorsicht angebracht. 

(Hier eine Bündelseite des NL-Rundfunks mit dem aktuellen Stand.)

 

Dessen ungeachtet löst die Tat gegen den profilierten Experten Bestürzung auch bei Journalist*innen in Baden-Württemberg und ganz Deutschland aus.

 

Hoffentlich wird Peter R. de Vries wieder gesund. 

 

 

Markus Pfalzgraf ist Landesvorsitzender des DJV Baden-Württemberg. Bevor er zum SWR kam, für den er über Landespolitik berichtet, hat er mehrere Jahre für einen Online-Videonachrichtendienst in Amsterdam gearbeitet.