Der DJV Baden-Württemberg beim Verbandstag in Bochum

 Wie man statt Kohle guten Journalismus fördert

 

Beim diesjährigen Verbandstag in Bochum wurden neue Meilensteine in Sachen Schutz und Unterstützung des in Pandemiezeiten besonders hart betroffenen Berufsstandes gesetzt. Das Delegierten-Team aus Baden-Württemberg konnte dabei mit dem Landesvorsitzenden Markus Pfalzgraf ein paar Erfolge verbuchen. Die Gemeinnützigkeit von nicht profitorientierten Medien steht nun auch im Koalitionsvertrag der neuen Regierung.

 

Tief in den Westen ging es Anfang November für die Delegierten des DJV Baden-Württemberg zum großen Verbandstag im Bochumer RuhrCongress. Eine weite Reise in unruhigen Zeiten, die sich aber hinsichtlich der dort verabschiedeten Anträge aus den verschiedenen Landesverbänden gelohnt hat. Auch der DJV Baden-Württemberg konnte wichtige Entscheidungen auf den Weg bringen, worüber wir uns sehr freuen.

 Am frühen Sonntagnachmittag des 7. November begrüßten der Bundesvorsitzende Frank Überall und das Präsidium die rund zweihundert aus allen Teilen Deutschlands angereisten Delegierten, die nicht nur über das dicke Antragspaket, sondern auch über den neuen Bundesvorstand des DJV abstimmen sollten.

Neben Jan Prostka und Kai Heddergott leitete Kathrin Konyen, Vorsitzende des Fachausschuss Freie des DJV Baden-Württemberg, die Tagung vom Präsidiumspodium aus.

 Zum Auftakt der dreitägigen Veranstaltung informierte Marcus Engert, Mitglied der Investigativ-Redaktion der Ippen Mediengruppe, per Online-Schalte von seinem aktuellen Dienstort Washington die Delegierten über die Arbeit seines Teams. „Ich freue mich, dass wir den Kollegen Engert dafür gewinnen konnten, uns Einblicke in die Investigativ-Redaktion zu geben“, sagte DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall. Mit ihren monatelangen Recherchen hätten die Ippen-Kollegen großen Anteil daran, dass die Reichelt-Affäre bei Bild nicht länger hätte verschwiegen werden können.

 

Wichtige Einblicke in aktuelle Problemlagen gewährte auch ein Gespräch mit der Journalismus-Professorin Katja Artsiomenka zu den massiven Einschränkungen der Pressefreiheit in ihrer Heimat Belarus.

„Für mich wichtige Botschaft: Jede Erwähnung, jeder Bericht, jede Diskussion zu den Maßnahmen gegen die Pressefreit in Belarus ist bedeutend, da es Öffentlichkeit herstellt“, schreibt die Journalistin Silke Keil als persönliches Resümee unter den Facebook-Beitrag des DJV zu Artsiomenkas aufrüttelndem Bericht.

Überhaupt ist die zunehmende Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten im vergangenen Jahr ein wiederkehrendes, drängendes Thema beim Verbandstag.

„Passen wir auf, auf unsere Demokratie, auf unseren Journalismus, auf unsere Journalistinnen und Journalisten! Damit unsere Gesellschaft weiterhin gut informiert bleibt und die Demokratie nicht von skrupellosen Machthabern und verschwörungspraktischen Internet-Trollen ausgehöhlt wird“, appelliert Frank Überall in seiner Begrüßungsrede an Politik und Gesellschaft, die zunehmende Gewalt gegen Presse- und Medienvertreter nicht unwidersprochen hinzunehmen.

Insgesamt zeichnete Überall eine düstere Situation des Berufsstandes in der Pandemie und hob besonders die prekäre Situation der freien Kolleginnen und Kollegen hervor: „Es gab keine nachhaltigen Hilfsprogramme, manche landeten in Hartz IV“, beschrieb er die oft bedrückende Lage. Eine der wenigen positiven Entwicklungen der großen Koalition sei die Einbeziehung der Freien in das Bundespersonalvertretungsgesetz gewesen, erklärte er.

Außerdem mahnte Überall den Schutz von Whistleblowern und mehr Verständnis für die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten an, die häufig in ihren Recherchen und bei Vor-Ort-Terminen behindert würden.

Eine wichtige Rede, die im Zusammenhang mit dem Gespräch mit Katja Artsiomenka klarstellte, wie notwendig der Einsatz des DJV für Pressefreiheit nach wie vor ist.

 

Der Montag war für die Wahlen des neuen Bundesvorstands reserviert, in deren Verlauf Frank Überall in seinem Amt als Bundesvorsitzender für weitere zwei Jahre bestätigt wurde.

Zu Überalls Stellvertretern wurden die freie Journalistin Anne Webert aus Bayern und der Tageszeitungsjournalist Mika Beuster aus Hessen gewählt. Beuster war schon im letzten Bundesvorstand als Beisitzer vertreten; Webert ist Vorsitzende des Fachausschusses Freie im DJV. Katrin Kroemer aus Nordrhein-Westfalen wurde in ihrem bisherigen Amt als Schatzmeisterin bestätigt, das sie seit 2015 innehat.

Wiedergewählt wurde auch der Berliner Journalist Philipp Blanke als Beisitzer. Neu im Team des Vorstandes ist hingegen die freie Journalistin Mariana Friedrich vom DJV Thüringen als Beisitzerin. Ebenso der Wissenschaftsjournalist Harald Stocker, der bisher im DJV-Fachausschuss Rundfunk aktiv ist.

 

Peter Meister, einer der Gründerväter des DJV Baden-Württemberg von 1986, hat beim Bochumer Verbandstag ein besonders gutes Wahlergebnis eingefahren: Mit 92,6% wurde er als Kassenprüfer wiedergewählt. „Wir danken ihm sehr herzlich, dass er nach all den Jahren auch weiterhin die Zahlen prüft!“, gratulierte ihm der DJV-Landesvorsitzende Markus Pfalzgraf.

„Ich freue mich auf die Arbeit mit dem neuen Team“, kommentierte Frank Überall den Ausgang der Wahl. „Gemeinsam wollen wir für unseren Journalismus kämpfen.“

 

Anschließend diskutierten die Delegierten in vier Arbeitsgruppen aktuelle Fragen zum Tarif- und Arbeitsrecht, zur Medienpolitik, zur Situation der Freien und des Rundfunks. Die Ergebnisse der konzentrierten und gut besuchten Gruppen wurden am Dienstag im Rahmen der Antragsabstimmungen verarbeitet.

Ein wichtiger Antrag widmet sich der Forderung an Gesetzgeber und Behörden, die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten bei der Berichterstattung zu verbessern und die Pressefreiheit in vollem Umfang zu gewährleisten.

„Erschreckend und bestürzend“ nannten es die Delegierten, dass mancherorts Jagd auf Journalisten gemacht würde und die Berichterstattung über Demonstrationen von Querdenkern und Rechtsextremisten mit erheblichen Gefahren verbunden sei. Die Medienhäuser seien in der Pflicht, die Journalistinnen und Journalisten auch juristisch zu unterstützen.

Mit dieser notwendigen Forderung verbunden ist aber die an den eigenen Berufsstand gerichtete Klarstellung, dass Journalistinnen und Journalisten zu kritischer Distanz verpflichtet sind. Damit wenden sich die Delegierten gegen jegliche Vermischung von Berichterstattern und Aktivisten.

Besonders freut den DJV Baden-Württemberg, dass der vom Landesvorsitzenden Markus Pfalzgraf mit unserem Delegierten-Team eingereichte Antrag, die Gemeinnützigkeit von nicht profit-orientierten Medien anzuerkennen, einstimmig in Bochum angenommen wurde. Dieser Antrag stammte noch vom Gewerkschaftstag des Landesverbandes 2020 in Karlsruhe. Aufgrund der plötzlichen Aktualität auch bei den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene gab es gesteigertes Interesse vom DJV Berlin (JVBB) und anderen. Letztlich haben sich die „Ampel“-Parteien darauf geeinigt, Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus zu schaffen.

 

Voraussetzung für diese Neuerung ist eine Änderung der Abgabenordnung, damit journalistische Projekte in den Katalog der gemeinnützigen Zwecke aufgenommen werden können. Das bedeutet erhebliche Steuererleichterungen für die Anbieter sowie die Möglichkeit, Spenden steuerlich abzusetzen. „Viele klassische Geschäftsmodelle im Journalismus sind bereits bzw. werden in den nächsten Jahren überholt sein“, heißt es in der Begründung. Beispiele für gemeinnützige Angebote, die sich etwa über Crowdfunding oder freiwillige Beiträge finanzieren und nicht per se auf Gewinnerzielung fußen, gibt es dagegen schon vielfach; die taz und die KONTEXT Wochenzeitung, aber auch das Recherchezentrum Correctiv arbeiten etwa auf diese Weise.

 

Ein wichtiger Meilenstein ist auch die Verabschiedung der "Resolution gegen Einschränkungen der Fotojournalist*innen sowie schreibenden Journalist*innen bei TV-Shows seit Beginn der Corona-Pandemie". Hintergrund dieser Resolution ist die nach wie vor andauernde Beschränkung teilnehmender Journalist*innen bei TV-Aufzeichnungen. Was während der Pandemie notwendig war, könnte danach zu erheblichen Problemen führen. Journalist*innen brauchen für die Zeit nach der Pandemie eine Perspektive, dass sich die Bedingungen ihrer Arbeit normalisieren und nicht die Beschränkungen während des Ausnahmezustands in der Pandemie zur akzeptierten Regel werden.

 

Ein weiterer wichtiger Antrag kommt vom DJV Bremen: Dort wird verlangt, dass die Behörden angehalten werden, nicht quasi selbst als Medien zu agieren, etwa indem sie bei Ereignissen umfangreiches Text- und Bildmaterial zur Verfügung stellen, das dann übernommen werden kann. Unserem baden-württembergischen Landesverband war es wichtig, dass sich ein solcher Appell auch an die Medienhäuser selbst richtet, damit diese im Zweifel lieber Material von freischaffenden Journalist*innen verwenden, und nicht das der Behörden. Beide Anträge fanden große Zustimmung.

 

Schon diese wenigen Beispiele belegen, wie konkret sich die Abstimmungen beim DJV-Verbandstag auf das alltägliche Berufsleben der Journalistinnen und Journalisten auswirken können – zur hoffentlich nachhaltigen Verbesserung der unter Corona-Bedingungen deutlich erschwerten Arbeit.