Rechtstipp Juni

Rechtstipp 06/2022 – von Astrid Braun

 

Haben Verlage und Rundfunkanstalten ein Recht darauf von mir zu erfahren, wie hoch meine Gesamteinnahmen im Jahr sind?

 

Möchten freie Journalist*innen u.a. für Verlage im Rahmen eines Auftragsverhältnisses tätig sein, werden sie mittlerweile mit einem sehr umfangreichen Fragenkatalog konfrontiert. Dabei möchte der Auftraggeber insbesondere wissen, ob der Auftragnehmer noch für andere Verlage tätig oder möglicherweise fest angestellt ist, ob er evtl. ALG II bezieht und wie hoch seine Gesamteinnahmen im Jahr sind. Einige freie Journalist*innen beantworten diese Fragen eher widerwillig. Sie haben das Gefühl, und das ist mehr als nachvollziehbar, völlig unnötig ausgefragt zu werden und Informationen von sich preisgeben zu müssen, die den Verlag überhaupt nichts angehen dürften. Bis vor einigen Jahren haben noch viele freie Journalist*innen ihre Artikel zum geforderten Thema verfasst, ohne Umwege an verschiedene Verlage verkauft und das, ohne auch nur ein Schriftstück vorgelegt zu bekommen, geschweige denn unterschrieben haben zu müssen. Diese sorglose Handhabung hat sich aber später oft gerächt: In der Vergangenheit kamen Verlage und Rundfunkanstalten regelmäßig in rechtliche Schwierigkeiten, weil sie Journalist*innen als Selbstständige führten, obwohl diese nahezu komplett weisungsabhängig beschäftigt und finanziell von einem Auftraggeber abhängig waren. Stichwort: Scheinselbstständigkeit.

Beziehen freie Journalist*innen nämlich den Großteil Ihrer Einnahmen von einem Verlag, kann dieser unter Umständen verpflichtet sein, Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Tut er dies dann nicht, ist der Verlag verpflichtet, die nicht abgeführten Beiträge nachzuzahlen. Ferner sind in den meisten Fällen saftige Bußgelder fällig. Um dieses Risiko zu verringern, möchte sich der Auftraggeber meist mit einem umfangreichen Fragenkatalog absichern. Nur so lässt sich für ihn rechtzeitig erkennen, wer noch selbstständig ist und bei wem ggf. die Arbeitnehmereigenschaft angenommen werden muss.

 

Heißt im Ergebnis: Die Formulare zur Erklärung der Einkünfte etc. sind zwar lästig, dienen aber tatsächlich dazu, Klarheit über eine mögliche Scheinselbständigkeit zu schaffen.

 

Klar ist aber auch: Wenn ein Verlag sehr regelmäßig die Dienste einer/eines Freien in Anspruch nimmt, ist es durchaus auch denkbar, die Person in ein sozialversicherungspflichtiges Anstellungsverhältnis zu übernehmen. Das schafft Rechtssicherheit für beide Seiten und erhöht – Stichwort Sozialversicherungsbeiträge - die soziale Absicherung der /des Freien.

 

Sie möchten sich zum Thema Scheinselbständigkeit beraten lassen? Mitglieder und solche, die es werden wollen, sind herzlich eingeladen, unsere Geschäftsstelle zu kontaktieren.