DJV kritisiert Bahn-Interessenverband für Einschränkung der Berichterstattung

„Massiv behindert“ sahen sich Fernseh- und Zeitungsjournalisten, weil sie nicht direkt an einer Präsentation mit Deutscher Bahn und Stadt Stuttgart zu einem Streitthema im Zusammenhang mit dem Großprojekt „Stuttgart 21“ teilnehmen konnten.

 

Anlass war ein „Faktencheck“ am 25. November zur Bahnlinie zwischen Stuttgart und Singen, die als Gäubahn bekannt ist und von Baden-Württemberg letztlich bis nach Zürich reicht. Für den Umbau und die Anbindung des Stuttgarter Hauptbahnhofs („Stuttgart 21“) soll diese Hauptstrecke für mehrere Jahre unterbrochen werden. Dazu werden verschiedene alternative Streckenführungen teils kontrovers diskutiert, und noch immer ist unklar, wie der Stuttgarter Flughafen angebunden werden soll.

 

Einer „transparenten Darstellung des Themas und der Versachlichung der aktuellen Diskussion“ sollte der Termin dienen, an dem es schon im Vorfeld heftige Kritik von Verkehrs- und Umweltverbänden gab. Statt eines „Faktenchecks“ wurde dann vor allem die Sicht von Bahn und Stadt wiedergegeben, wie Teilnehmende berichten. War das den Veranstaltenden unangenehm?

 

Zeitungs- und Fernsehjournalisten wurden vor Ort abgewiesen oder kurz nach Beginn von Sicherheitspersonal hinauskomplimentiert – mit Verweis auf einen Livestream-Zugang. Doch dieser Livestream sei für eine Fernsehberichterstattung untauglich gewesen, schrieb Axel Graser, Leiter des SWR-Studios Stuttgart, in einer Beschwerdemail an den Veranstalter. In einem Mitschnitt ist zu sehen, dass in viel zu kleinen Bildern die Teilnehmenden von Bahn, Stadt und Verkehrsministerium kaum zu erkennen sind, weil Folien einer Präsentation groß eingeblendet sind. „Für eine adäquate Fernsehberichterstattung indiskutabel“, protestiert Axel Graser. Es entstehe der Eindruck, dass es nicht erwünscht war, mit den Beteiligten zu sprechen – eine „massive Behinderung unserer Arbeit“, so der SWR-Studioleiter. Auch in den Pausen, so berichten mehrere Beteiligte, seien Interviews im Umfeld der Veranstaltung durch den plötzlichen Ausschluss unrealistisch geworden: Reporter, die eigentlich ja von einer Teilnahme ausgegangen waren, mussten improvisieren, beispielsweise um hektisch Mitschnitte von Livestreams zu organisieren und die Veranstaltung anderswo zu verfolgen.

 

Auch das war nicht verlässlich: Christian Milankovic (Stuttgarter Zeitung/ Stuttgarter Nachrichten) berichtet, der Stream sei mehrfach abgebrochen. Auch dass den Medien die Möglichkeit genommen worden sei, Rückfragen zu den Präsentationen zu stellen, habe „wenig mit dem Herstellen von Öffentlichkeit zu tun.“

 

Warum waren Journalisten vor Ort nicht erwünscht? Man habe wohl „möglichst wenig Aufmerksamkeit“ auf die umstrittene Veranstaltung richten wollen – so der Eindruck des SWR-Bahnexperten Harald Kirchner. Deshalb seien die Medien wohl „mutwillig weitgehend ausgeschlossen worden“.

 

Die Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn als Veranstalterin verweist auf den öffentlichen Stream. Eine „aktive Teilnahme an der Veranstaltung“ sei „nur Mitgliedern und wenigen geladenen Gästen vorbehalten“, schreibt der Geschäftsführer des Interessenverbands gleichlautend an mehrere Journalisten, die sich beschwert hatten. Teilnehmenden sei es „unbenommen“ gewesen, „sich darüber hinaus von PressevertreterInnen interviewen zu lassen“. Eine differenzierte Berichterstattung sei „durchaus möglich“ gewesen.

 

Die ausgeschlossenen Journalisten sehen „wenig Problembewusstsein“ in den ausweichenden Antworten auf ihre Beschwerden. Deshalb fordert der Journalistenverband in Baden-Württemberg Aufklärung: Warum war die Veranstaltung nicht wie üblich zugänglich?

 

„Die Bedeutung der Arbeit von Presse und Rundfunk im demokratischen System als Grundlage der Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger wird von uns sehr hoch geschätzt,“ schrieb der Gäubahn-Geschäftsführer schließlich. Der DJV möchte den Verband gerne beim Wort nehmen. Wir erwarten, dass der Protest der Kollegen tatsächlich, wie angekündigt, ernst genommen wird – und es künftig nicht mehr zu einer solch interessengeleiteten, einseitigen Veranstaltung oder zu Behinderungen der freien Berichterstattung kommt.