Tarifabschluss Tageszeitungen: DJV-Verhandler Holbein erklärt

Der Tarifabschluss für Festangestellte bei Tageszeitungen wirft bei vielen Beschäftigten Fragen auf. Die wichtigsten klären wir mit einem, der für die Gewerkschaften am Verhandlungstisch saß: Christoph Holbein ist im DJV Baden-Württemberg der Vorsitzende des Fachausschusses für Redakteure und Betriebsrätinnen. Im Interview erläutert er das Verhandlungsergebnis.

 

 

Herr Holbein, Sie waren an den Tarifverhandlungen Tageszeitungen beteiligt. Wie werten Sie den Abschluss in der vergangenen Woche?

 

Fakt ist, wir haben einen Abschluss erreicht, das ist in diesen schwierigen Zeiten mit den Problemen in der Branche und der besonderen Corona-Situation nicht so selbstverständlich. Positiv dabei ist, dass wir eine Corona-Prämie in Höhe von 500 Euro erreicht haben, die steuerfrei, also brutto für netto, an die Beschäftigten ausbezahlt wird. Positiv ist zudem, dass die Volontärinnen und Volontäre bei der ersten Erhöhung monatlich 100 Euro mehr erhalten. Klar haben wir uns ein besseres Ergebnis gewünscht. Am Ende aber stehen 3,5 Prozent mehr Gehalt für die Kolleginnen und Kollegen und die sind tabellenwirksam. Das sollten wir nicht klein reden. Mehr ist immer schöner, aber es muss auch zu verwirklichen sein. Das Ergebnis spiegelt die realen Möglichkeiten wider, ist im Rahmen anderer vergleichbarer aktueller Tarifergebnisse und zum Teil sogar besser.

 

Hätte es denn Möglichkeiten gegeben, doch noch einen besseren Ausgang der Verhandlungen zu erstreiten?

 

Das ist spekulativ. Wenn ich die Stimmungslage beim BDZV richtig einschätze, war es nicht sicher, wenn wir die Verhandlungen abgebrochen hätten, ob die Verleger so rasch wieder an den Verhandlungstisch zurückgekehrt wären. Das aber wäre notwendig gewesen, um die Corona-Prämie zu retten, denn die Steuerfreiheit dieser Einmalzahlung läuft aus. Also hätten wir möglicherweise erst einmal Druck aufbauen müssen, um den BDZV zu weiteren Verhandlungen zu bringen. Natürlich ist Streik eine Möglichkeit, solchen Druck zu erzeugen. In jedem Fall hätten wir zusätzliche Zeit benötigt, um zu einem Abschluss zu kommen, was weitere Leermonate ohne eine Gehaltserhöhung für die Beschäftigten bedeutet hätte.

 

Wie steht es denn derzeit um die Streikbereitschaft?

 

Das ist immer eine Momentaufnahme. Aber da müssen wir uns wirklich ehrlich machen: Eine große Streikbereitschaft  war nicht auszumachen, wenn ich die Signale aus Baden-Württemberg und Bayern und aus dem Rest der Republik richtig interpretiere. Stuttgart bildet da sicherlich eine vorbildliche Ausnahme, dort spielen aber auch zusätzlich noch andere Faktoren mit hinein für den Unmut und die Kampfbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen, die zurecht auf die Barrikaden gehen gegen die unsäglichen und die Mitarbeiter wenig wertschätzenden Pläne für einen massiven Personalabbau.

 

Ist der Frust der Kolleginnen und Kollegen denn nachvollziehbar?

 

Ja. Wir haben in den zwei vergangenen Corona-Jahren mit Blick auf die Situation auf eine Gehaltserhöhung verzichtet und sind damit den Verlegern ein großes Stück entgegen gekommen. Da ist es nur verständlich, wenn die Kolleginnen und Kollegen jetzt einen angemessen hohen Gehaltszuwachs auch angesichts der Inflationsrate für mehr als angebracht halten. Aber ich hoffe, dass, wenn sich der Pulverdampf verzogen hat, eine nüchterne Sicht auf das Ergebnis möglich ist, und das sehe ich unter den Rahmenbedingungen als einen annehmbaren Kompromiss an.

 

 

Hinweis: Zum Zeitpunkt dieses Interviews (Stand 14.02.2022) müssen die zuständigen Gremien der beteiligten Gewerkschaften DJV und dju in Ver.di sich noch mit dem Tarifabschluss befassen.