Weniger Dienste, mehr Reportage - Interview mit Landes-senderdirektorin Stefanie Schneider zum Umbau im SWR

SWR-Landessenderdirektorin Baden-Württemberg Stefanie Schneider (Foto: Monika Maier)
SWR-Landessenderdirektorin Baden-Württemberg Stefanie Schneider (Foto: Monika Maier)

Der SWR hat angekündigt, dass die Radioprogramme SWR4 Baden-Württemberg und SWR4 Rheinland-Pfalz künftig außerhalb der Primetime zusammengelegt werden. Die geplante Kooperation sieht vor, Musik- und Unterhaltungssendungen gemeinsam für beide Bundesländer zu planen und moderieren. Gesendet werden soll dann ausschließlich aus Stuttgart. Über die geplanten Veränderungen hat für uns Susann Mathis (Vorsitzende der Regionalgruppe Mittelbaden) mit der Landessenderdirektorin Stefanie Schneider gesprochen. Nachzulesen auch im aktuellen DJV Blickpunkt - Medienmagazin.

Frau Schneider, bislang werden die SWR4-Programme aus den Funkhäusern Stuttgart und Mainz gesendet. In Zukunft wird zwischen zehn und sechs Uhr ausschließlich aus Stuttgart gesendet. Wie wird dabei die Regionalität weiter garantiert? An welchen Stellen muss man Einschnitte machen?

 

Stefanie Schneider: Dieses Programm ist für beide Bundesländer beauftragt und wir wollen keine Einschnitte an der Regionalität vornehmen. Wir wollen aber, was auch die Öffentlichkeit mit einer gewissen Berechtigung von uns verlangt, unsere Strukturen überprüfen und die Menschen mit weniger Aufwand gut erreichen. Wir legen zusammen, was nicht zwingend regional sein muss. Die Musik – Schlager und Oldies – ist nicht regional, es gibt keinen Grund, das doppelt zu machen. Und auch die Moderation kann mal aus Baden-Württemberg, mal aus Rheinland-Pfalz kommen, aber die Regionalität in der Anmutung immer wieder aufscheinen lassen.

 

Hier können wir in der Struktur schlanker werden und weniger Geld ausgeben. Denn Regionalität definiert sich im Schwerpunkt über Inhalte, diese wollen wir erhalten. Die vier Stunden lange Frühstrecke am Morgen ist die absolute Primetime im Radio, da wird man viel regionalen Impetus reinlegen. Wir werden aber auch den ganzen Tag über die Regionalnachrichten wie bisher liefern. Diese regionalen Nachrichten aus den insgesamt 13 Studios in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg laufen ganz normal wie bisher weiter zwölfmal am Tag.

Und daran wird sich nichts ändern?


Schneider: Nein, es ist lediglich eine technische Frage, wie wir das organisieren, aber Einschnitte gibt es daran keine. Und auch in den Hauptnachrichten, die ja als Landesnachrichten konzipiert sind, wird sich nichts ändern. Das heißt, Baden-Württemberg wird mehr baden-württembergische Anteile in den Hauptnachrichten haben, Rheinland-Pfalz mehr rheinland-pfälzische. Darüber hinaus arbeiten wir mit Containerlösungen, also dass man unterschiedliche regionale Beiträge für Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zeitgleich abspielt. Bei allem, was wir künftig gemeinsam konzipieren, wird es immer darum gehen, das gut auszutarieren. Es wird im Kern darum gehen, dass das Lebensgefühl der Menschen getroffen wird und sie sich angesprochen fühlen. Gleichzeitig wollen wir in der Struktur effektiver zusammenarbeiten.

Gilt nicht auch für die Moderation, dass Ihre Hörer:innen eine regionale Ansprache oder sogar Zungenschlag erwartet?


Schneider: Schon innerhalb eines Bundeslandes haben wir manchmal Verwerfungen, weil nicht alle Alemannen es zwangsläufig toll finden, wenn ein Schwabe am Mikrofon sitzt und umgekehrt. Es liegt im Feingefühl derer, die so ein Programm machen, dass sie das gut austarieren. Oft ist es so, dass der Zungenschlag erst gar nichts durchscheint, da die Moderatoren gewohnt sind, Hochdeutsch zu sprechen. Aber auch da gibt es Menschen, die das nicht so gut finden.

Von den aktuellen Maßnahmen sind rund 35 Mitarbeitende am Standort Mainz betroffen, denen andere Aufgaben übertragen werden sollen. Sorgen um ihre Jobs müsse sich die Belegschaft aber nicht machen, versichert der SWR. Enttäuschungen sind da vorprogrammiert. Oft werden solche Umstrukturierungen von unseren Mitgliedern als mangelnde Wertschätzung oder sogar Degradierung wahrgenommen. Wie gehen Sie damit um?


Schneider: Der allererste Schritt – und damit haben wir auch schon angefangen – sind Gespräche mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, unabhängig davon, ob sie das Gefühl haben, sie müssten möglicherweise um ihren Posten kämpfen. Ganz allgemein gehört es zum Grundsatz, dass man regelmäßig mit Mitarbeitern spricht, um herauszufinden, was sie gerne tun wollen oder wo sie noch Stärken haben.


Wir sind gerade erst dabei, diese gemeinsamen Strukturen über zwei Bundesländer zu entwickeln und aufzubauen. Da wird es Jobs geben, die man an einem Standort machen kann, ohne dass dort die Sendung konkret auch abgewickelt wird, vieles ist über virtuelle Kanäle möglich. Einige Mitarbeiter werden auch in den Ruhestand ergehen. Schließlich ist der SWR ein großes Unternehmen, da gibt es sehr viele Plätze und nach meiner Erfahrung gibt es auch neue Chancen, wenn man sich gut mit Menschen auseinandersetzt und wirklich versucht herauszufinden, was sie können und wo sie sich sehen.

In der Pressemitteilung steht, man reagiere auf eine sich stark verändernde Hörfunk- und Medienlandschaft. Jeder hat da so seine eigene Vorstellung, was das bedeutet. Könnten Sie die Veränderungen aus SWR-Sicht beschreiben?


Schneider: Grundsätzlich versuchen wir einer Strategie zu folgen, die uns der Auftrag diktiert, nämlich alle Zielgruppen zu erreichen. Dabei ist klar, dass wir für jüngere Menschen mehr tun müssen, da sie ihre Informationen oder ihre Unterhaltung in sozialen Medien auf anderen Plattformen und nicht mehr in linearen Medien suchen, denn dazu haben wir den Auftrag. Wir wollen regionale Inhalte so weiterentwickeln, dass sie auch in anderen Programmen zum Tragen kommen. Das gelingt uns an vielen Stellen schon eigentlich überraschend gut, zum Beispiel verbreiten wir die Inhalte der Landesschau, die das ältere Publikum um 18:45 vor dem Fernseher erreicht, auch auf YouTube und in der Mediathek. Damit erreichen wir auch deutlich jüngere Menschen. Solche Prozesse charakterisieren den Umbau. Wir wollen so viele Inhalte wie möglich für so viele Menschen wie möglich in Baden-Württemberg herstellen.

 

Wir versuchen, effektiver zu arbeiten und das, was wir daraus erlösen können, setzen wir so ein, dass wir zum Beispiel mit einem Format wie SWR-Heimat, das wir auch schon vor jetzt ein paar Jahren aufgelegt haben, regionale Inhalte ganz gezielt in sozialen Medien für jüngere Menschen aufzubereiten. Und das, das klappt auch ganz gut, aber das geht natürlich nicht ohne Aufwand.

Vergangenen Herbst berichteten wir unter dem Titel „Zu viel Planung für zu wenig Reporter“ über eine Veranstaltung, in der damals der Umbau der operativen Strukturen im SWR stark kritisiert wurde. Im Text werden SWR-Mitarbeiter:innen zitiert, die die gleichzeitige Planung von Fernsehen, Online und Hörfunk a) für eine starke Überforderung des Multimedia-CvD verantwortlich machen und b) für Langsamkeit, da das produktionstechnisch aufwändige Fernsehen mitgeführt werden muss. Inzwischen wurden diese operativen Strukturen in einer Pilotphase getestet. Welche Vor- und Nachteile haben sich herausgestellt?


Schneider: Auch das sind Fragen, die wir, mit denen wir uns jetzt zuletzt ganz intensiv beschäftigt haben. Vor allem in den Regionalstudios, die ja die Inhalte im Kern holen, ballt sich das. Dort reicht es nicht mehr, Radio- oder Fernsehbeiträge zu machen, es müssen auch noch viele andere Dinge entstehen.


Wir werden eine Nachmittagssendung im SWR4 in den Studios weglassen – voraussichtlich ab Herbst. So entsteht ein Freiraum, den wir für digitale Wege nutzen können. Wir haben auch den Dienstplan der Studios überarbeitet und uns gemeinsam entschieden, einen Dienst wegzulassen, sodass in jedem Studio jeden Tag ein Reporter mehr zur Verfügung steht.


Wir denken auch darüber nach, ob wir nicht wieder mehr Expertentum entwickeln, das heißt online stärker von den Leuten machen zu lassen, die wirklich online sehr gut und sehr schnell können. Denn wir haben festgestellt, dass es keine gute Lösung ist, wenn das jeder so ein bisschen macht. Wir wollen die Reporter von Onlineaufgaben entlasten und ihnen dadurch die Chance zu geben, sich wieder ein bisschen mehr der Recherche und der eigentlichen journalistischen Aufgabe zu widmen. Wir gehen an vielen Stellen viele kleine Schritte, um genau das besser hinzukriegen.

 Das Interview führte Susann Mathis.

 

Die freie Journalistin und Beraterin Susann Mathis ist seit 2012 in der Blickpunkt-Redaktion und seit 2022 Vorsitzende der DJV-Regionalgruppe Mittelbaden.

 

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