Hörtipp: "Ulysses" von James Joyce in der ARD Audiothek

 

Vor hundert Jahren erschien die Erstausgabe des „Ulysses“ von James Joyce. Der SWR wiederholt aus diesem Anlass seine preisgekrönte Hörspielfassung. Die insgesamt 18 Folgen können ein ganzes Jahr lang, bis zum 16. Juni 2023 („Bloomsday“) in der ARD Audiothek und in der SWR2 App angehört werden.

 

In dem bekanntesten ungelesenen Buch wird in 18 Kapiteln ein einziger Tag in Dublin erzählt – vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Dem Literatur-gewordenen Tagesablauf des Dubliner Protagonisten Bloom folgen Fans folgen jährlich am gleichen Datum, am 16. Juni, genannt „Bloom‘s Day“.

Was ist dran an diesem „Ulysses“, fragen sich so manche, die schon aus dem Bücherschrank der Eltern hochmütige und abweisende Zeichen empfangen haben: Ist denn nie Ruhe um den berühmten inneren Monolog, der zu den schwierigsten Büchern überhaupt gehören soll? James Joyce selbst soll gesagt haben, er wolle mit seinem Werk Generationen von Professoren Rätsel aufgeben und es scheint ihm gelungen zu sein. Immer wieder gibt es neue Aspekte seines Werks, über die promoviert wird.

Aber derselbe Joyce wünschte sich auch, dass jemand mal sagen würde, dass das Buch verdammt lustig ist. Doch diese Perspektive auf den „Ulysses“ hat sich noch nicht durchgesetzt. Dennis Scheck betonte im SWR vor zwei Jahren, der „Ulysses“ brauche furchtlose Leserinnen und Leser, „die sich vor allem an der beträchtlichen Komik dieses Romans begeistern.“

Solcher Unerschrockenheit werden schwere Prüfungen aufgegeben, etwa wenn wie jüngst im SWR2-Forum der Redakteur Alexander Wasner diskutiert mit der Schriftstellerin Dr. Katharina Hagena, die über „Ulysses“ promoviert hat, dazu mit Prof. Dr. Klaus Reichert, Herausgeber der Suhrkamp-Werkausgabe von James Joyce und Prof. Dr. Dirk Vanderbeke von der Universität Jena, der „ein Leben lang daran arbeitete, den „Ulysses“ zugänglich zu machen und zu enträtseln“.

Man merkt sofort: Da ist geballte Joyce-Kompetenz an den Mikrofonen. Nicht unbedingt die geballte Begeisterung – aber das wäre ja auch nicht wissenschaftlich.
Wasner konstatiert zu Beginn: „Das Buch ist und war eine Zumutung – mit voller Absicht“. Bestimmt will er im weiteren Verlauf Breschen in dieses harsche Postulat schlagen (lassen), doch seine Gesprächspartner*in machen es ihm nicht leicht: Auf die Frage, ob er es denn gleich gerne gelesen habe, verneint Vanderbeke.
Auch sein Professor habe ihm gesagt, das erste Mal sei es schwierig. Reichert wiederum beschreibt, das Buch sei von Stacheldrahtzäunen umgeben. Manches Detail verstehe man erst mehrere hundert Seiten weiter. Später ergänzt er jedoch, dass es auch irrsinnig komisch sei. Hagena empfiehlt, das Original zu lesen, vor allem wegen des Klangs, außerdem sei die Übersetzung auch nur halb so komisch wie das Original.

Wie komisch kann „Ulysses“ für jemanden sein, die oder der vielleicht nicht alle homerischen Bezüge versteht, nicht alle Symbole entschlüsselt, Sprachspiele mithüpft und nicht jeden Held der Antike wiedererkennt? Kann das Buch trotzdem Freude bereiten? „Wann versteht man schon mal alles?“, mildert Hagena den Leistungsdruck ab. Sie macht sich über die mit der Lektüre verbundenen Bildungshuberei lustig, und betont stattdessen das Liebenswerte des Protagonisten Bloom, der so manchen Fehler mache, oft knapp daneben liege und falsch zitiere. Etwa wenn er nicht mehr draufkommt, wie das nun genau funktioniert mit dem „Gewicht des Wassers gleich ist dem...“.

Es gibt viele Lesehilfen, zum Beispiel das Gilbert-Schema vom Autoren selber, aber seit 2012 gibt es vor allem eines: die hervorragende, farbige, lebendige Bearbeitung von Klaus Buhlert mit herausragenden Schauspieler*innen produziert.

Keine Ahnung also, ob man das Buch lesen muss, aber hören sollte man diese Produktion. Der SWR macht es einem dabei leicht, indem er die Folgen ein ganzes Jahr lang bereitstellt.

„Ulysses“, nach dem Roman von James Joyce, übersetzt von Hans Wollschläger
Produktion: SWR/DLF 2012

Bearbeitung, Musik und Regie: Klaus Buhlert
Mit Manfred Zapatka, Corinna Harfouch, Dietmar Bär, Jens Harzer, Jürgen Holtz, Thomas Thieme, Birgit Minichmayr, Rufus Beck, Milan Peschel, Margit Bendokat u.v.a.

Rezension: Susann Mathis